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14 Hei­le­rin und Adler

I

Inzwi­schen war der Som­mer schon zur Hälf­te vor­über, und es dräng­te, sich für einen Ort zu ent­schei­den, wo sie den Win­ter über­ste­hen konn­ten. Außer­dem muss­ten sie sich vor­se­hen, dass sie kei­ne ande­ren Men­schen durch ihr Aus­se­hen erschreck­ten. Nah­rung gab es genug: Bee­ren, Pil­ze und ihnen unbe­kann­te Früch­te. Sie durch­wan­der­ten vie­le Wäl­der, und genos­sen die Tat­sa­che, dass es hier kei­ne Erd­stür­ze gab. Den­noch, so genau wuss­ten sie nicht, wel­che Rich­tung sie ein­schla­gen soll­ten, bis sie die Begeg­nung mit einer alten „Hei­le­rin“ mach­ten. Sie trug eine Kie­pe fri­scher Äpfel und hat­te kei­ne Angst vor den Rie­sen. Als sie die geschun­de­nen Füße der Rie­sen sah, ver­sorg­te sie die­se mit Kräu­tern und Sal­ben. Sie ver­brach­ten einen Tag zusam­men im Wald. Die Rie­sen bemerk­ten nicht, dass sie der Hei­le­rin schon ein­mal begeg­net waren, aller­dings in Gestalt der angeb­li­chen Hexe. Die Hei­le­rin konn­te vie­le Gestal­ten anneh­men, sich in brau­ne und rote Adler ver­wan­deln. Auch in dem Bären Ursus hat­ten die Rie­sen sie nicht ver­mu­tet, geschwei­ge denn in der Gestalt Amazone.

Ein beson­de­res Inter­es­se brach­te die Hei­le­rin für den Apfel­baum und die Apfel­ker­ne auf. “Ich weiß wohin ihr gehen soll­tet, schlug sie den Rie­sen vor. Viel­leicht zwei oder drei Tages­mär­sche von hier gibt es einen wun­der­schö­nen Ort, der noch nicht all­zu bekannt sei. Er bestün­de aus sechs Plät­zen, die dicht bei­ein­an­der­la­gen. Der Boden wäre sehr frucht­bar und die Gegend ist nicht bewohnt.

Das klingt sehr gut,“ mein­te Mich, „aber wie fin­den wir dort­hin?“ Die Hei­le­rin ant­wor­te­te, dass sie bloß dem roten Adler fol­gen soll­ten. Nach dem Aus­tausch von Kräu­tern und Apfel­ker­nen trenn­ten sich die Rie­sen von der Hei­le­rin und mach­ten sich fro­hen Mutes auf den Weg in eine neue Hei­mat. Sowie die Hei­le­rin gegan­gen war stieg ein roter Adler auf und kreis­te erneut über ihnen. „Mir scheint, die Adler haben uns immer im Auge“, mein­te Horst. „Wer weiß, was dahin­ter­steckt!“ „Egal,“ mein­te Wild, „Haupt­sa­che, wir kom­men an unse­re Plät­ze”. Er knab­ber­te an einem lecke­ren Pilz mit roter Hau­be und wei­ßen Punk­ten dar­auf. Nach einer Stun­de fing er an zu kichern, schlug hef­tig mit bei­den Armen und gab zu ver­ste­hen, dass er nun zu dem Adler flie­gen wol­le, um zu erfah­ren, was es mit die­sem auf sich hät­te. Die ande­ren amü­sier­ten sich und Lang schlug vor: „Du musst Anlauf neh­men, sonst hebst Du nicht ab!“ Gesagt, getan. Wild sprin­te­te los, schlug mit den Armen und lan­de­te unver­letzt in einem Loch, das mit Moor gefüllt war. „Jetzt haben wir noch einen schwar­zen Adler“, jubelt die ande­ren, konn­ten aber ein scha­den­fro­hes Lachen nur mit Mühe unter­drü­cken. Sie wuss­ten nichts vom Flie­gen­pilz­ge­nuss von Wild.

In einem kla­ren See wusch sich Wild, klag­te über Kopf­schmer­zen und fluch­te über Pil­ze. In Zukunft mied er Pil­ze, die er nicht kannte.

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